27 Oktober 2022

Das Problem der Ampelfarben in Projekten

 

„Bei Rot sollst du stehen, bei Grün kannst du gehen“ sagt ein alter Kinderreim. Wie übertragen wir das sinnvoll auf unsere Projektstatusberichte, Risikoanalysen usw, kurz: auf alle Projektdokumente, in denen die allseits bekannte und gefürchtete Managementampel gewünscht wird? Und was soll uns die Farbe Gelb eigentlich sagen?

 In meinen vergangenen Blogs habe ich oftmals auf die Verwendung von Ampelfarben verwiesen, an dieser Stelle möchte ich mich an einer Definition versuchen, denn: Nichts scheint so eindeutig wie eine Farbe, gerade weil wir sie alle aus unserem täglichen Umgang im Verkehr zu kennen glauben – und gleichzeitig ist nichts so schädlich wie ein falsch verstandener Konsens wenn man merkt, dass doch jeder etwas anderes mit der betreffenden Farbe assoziiert.

 Beginnen wir mit einer einfachen Farbe: Grün.
„Wir sind grün miteinander“ bedeutet, dass wir uns gut verstehen, dass keine Unklarheiten die zwischenmenschliche Sphäre verunreinigen. „Alles im grünen Bereich“ sagen wir umgangssprachlich. Damit meinen wir: Alles ist gut. ALLES. Da muss niemand mehr etwas tun, niemand muss helfen. 

Für einen Projektstatusbericht im klassischen Projektmanagement sollten wir folglich eine grüne Ampel setzen, wenn das Projekt voll auf Kurs ist hinsichtlich ALLER Komponenten des magischen Dreiecks: Kosten, Zeit und Leistung.
 
Bei der Risikoanalyse signalisiert die grüne Farbe, dass das betreffende Risiko hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit und Tragweite derart gering ist, dass wir keine Management - Attention darauf aufwenden müssen. Die Verwendung einer grünen, als positiv geltenden Signalfarbe ist dabei eigentlich eine Ironie des Schicksals, da es sich ja immerhin um ein Risiko handelt, also einen  negativen Einfluss aus dem sachlichen Projektumfeld - aber da wir uns ja leider bereits an die Ampelfarben gewöhnt haben, wäre die Einführung einer neuen Farbe, sagen wir mal Lila in diesem Kontext auch eher verwirrend als zielführend - somit belassen wir es wohl auch in Zukunft bei Grün. Oftmals bedeuten Risiken im grünen Bereich der Risikoanalyse, dass wir uns keine Gegenmaßnahmen für das betreffende Risiko überlegen müssen und die betreffenden Risiken gemäß der Normstrategie akzeptieren.

Etwas schwieriger ist die Farbe Rot. Rot ist eine Signalfarbe. Rot vermittelt Aggressivität. "Ich sehe rot" bedeutet: Ich bin kurz davor, auszurasten - zu eskalieren um es mit einem anderen Wort auszudrücken. Eine Eskalation im betrieblichen Zusammenhang stellt übrigens die Weitergabe eines Problems an die nächst höhere Stelle dar und ist somit erstmal frei von den negativen emotionalen Assoziationen, welche wir im privaten Alltag damit verbinden wenn wir sagen: "Da bin ich richtig eskaliert". 

Für einen Projektstatusbericht sollte die rote Farbe genau dieses ausdrücken: Der Projektleiter gibt damit zu erkennen, dass (mindestens) ein Problem existiert, welches er nicht mit seiner eigenen Kompetenz und innerhalb seines Entscheidungsspielraumes bewältigen kann. Er benötigt Hilfe, er eskaliert an die nächst höhere Instanz: Den Lenkungskreis bzw. Projektauftraggeber. Ich habe dabei häufig psychologische Hemmschwellen bemerkt, einen Statusbericht auf Rot zu setzen: Vielfach existiert die Angst, zu signalisieren, dass man seiner Aufgabe als Projektleiter irgendwie doch nicht gewachsen ist und die Scham um Hilfe zu bitten. So lässt sich vielfach beobachten, dass Projekte, welche nun schon doppelt so lange laufen wie ursprünglich geplant, im Statusbericht die Farbe Grün ausweisen - in diesem Zusammenhang dann wohl eher als die Farbe der Hoffnung zu interpretieren. Ein weiteres Phänomen der Farben konnte ich vielfach als Multiprojektmanager beobachten: Statusberichte wechseln die Farbe ruckartig von Grün auf Rot. Damit einher geht die Berichterstattung der Projektmanager: Zu einem Berichtszeitpunkt sei alles super, das Projekt laufe wie geplant - im nächsten Monat ist das Projekt bereits voll vor die Wand gefahren und knallrot. Verstehen Sie mich nicht falsch, das kann in Einzelfällen ja durchaus passieren; allerdings kann ich Ihnen versichern, dass es erwünscht ist, vor dem völligen Absturz eines Projektes die Farbe Gelb mal kurz gesehen zu haben. Allerdings ist diese Farbe meiner Ansicht nach auch die Schwierigste aller Farben im Statusbericht. Das scheinen unsere Städteplaner auch so zu sehen, da in einigen Verkehrssituationen mittlerweile Ampeln zum Einsatz kommen, welche nur noch aus den Farben grün und rot bestehen.

In der Risikoanalyse steht ein Risiko im roten Bereich für eine hohe Tragweite verbunden mit einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit. Rot bedeutet hier: Es müssen Gegenmaßnahmen entwickelt und  regelmäßig aktualisiert werden und das betreffende Risiko muss aufmerksam beobachtet werden. Die Risikonormstrategien legen dabei "Vermeidung" als adäquate Risikostrategie dar - logisch, aber im Einzelfall oft wenig hilfreich.

Widmen wir uns nun der schwierigsten aller drei Farben, nachdem wir die beiden vergleichsweise einfachen Extreme definiert haben: Gelb. Dem Mittelmaß, der Mischung aus Rot und Grün, nicht Fleisch, nicht Fisch - gelb ist stuck in the middle frei nach Porter, die Farbe derer, die sich nicht entscheiden können. Was machen wir, wenn eine Verkehrsampel Gelb zeigt? Noch schnell über die Kreuzung rennen? Schonmal vorsorglich anhalten und auf das nächste Grün warten? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht und wenn ich mir das Verkehrsgeschehen so angucke dann bekomme ich den Eindruck, dass es viele andere Menschen ebenfalls nicht wissen. Jeder macht es situativ anders. Ist die Farbe Gelb damit eventuell sogar schuld an Unfällen, weil wir alle nicht wissen, was sie bedeuten soll? Mir fällt spontan nicht mal ein kluges umgangssprachliches Gleichnis für die Farbe Gelb ein. 

Im Rahmen der Projektstatusberichte kann ich Ihnen folgende Lösung zur Verwendung der Farbe Gelb präsentieren: Gelb kann verwendet werden um dem Lenkungskreis oder Projektauftraggeber zu signalisieren, dass das Projekt droht, hinsichtlich mindestens einer der 3 Projektdimensionen Kosten, Leistung oder Zeit aus dem Ruder zu laufen, dass der Projektleiter jedoch davon ausgeht, diese Probleme mit seiner eigenen Kompetenz und innerhalb seines eigenen Handlungsspielraumes handhaben und korrigieren zu können. Damit ist die Farbe Gelb auch inhaltlich sinnvoll zwischen Grün und Rot positioniert, sie gibt ein leichtes Warnsignal ab und behält sich sowohl den Rückweg zur Farbe Grün offen als auch den Gang nach Canossa zur Farbe Rot. 

Noch schwieriger gestaltet sich die Farbe gelb bei der Risikoanalyse. Ich gehe zur Vereinfachung  davon aus, dass die Risikoanalyse lediglich einen einzigen gelben Bereich hat. In der Praxis wird hier oft ein Farbspektrum von hellgelb bis dunkelorange dargestellt - das sieht zwar cool aus, hilft aber hinsichtlich der Risikohandhabung und Entwicklung der Gegenmaßnahmen wenig. Die Risikonormstrategien für den gelben Bereich lauten je nach Quelle "vermindern", "übertragen" oder "reduzieren", "überwälzen" etc. Damit gemeint ist unterm Strich die Hoffnung der Überführung der jeweiligen Risiken in den grünen Bereich - denn Grün ist die Hoffnung, das wissen wir ja bereits.

 Abgesehen von pauschalen Risikonormstrategien und schlau klingenden  Buzzwords müssen wir für Risiken im gelben Bereich genauso wie für diejenigen Risiken im roten Bereich ebenfalls konkrete Gegenmaßnahmen entwickeln, um diese in der Schublade vorrätig zu haben oder um sie direkt einzuleiten, falls wir die entsprechenden Risiken direkt in den grünen Bereich überführen wollen.  Gerade letzteres ist allerdings strittig: Die Einleitung von Gegenmaßnahmen kostet Zeit oder Geld oder beides - wollen wir wirklich knappe Ressourcen darauf verwenden, um gelbe Risiken grün werden zu lassen? Sollten wir das Geld nicht besser dafür aufwenden, um rote Risiken gelb werden zu lassen? Oder erstmal warten, bis die gelben Risiken rot werden, um dann Gegenmaßnahmen einzuleiten?  Eine schwierige Frage, die man nicht pauschal beantworten kann - und ein Problem welches wie dargestellt auch mit den Risiken im roten Bereich existiert. Wir müssen die Risiken in diesem Bereich in jedem Fall beobachten - allerdings nicht so kritisch wie diejenigen Risiken im roten Bereich. An dieser Stelle besteht leider die Gefahr, ja, das Risiko, dass die Risiken im gelben Bereich dann doch nicht weiter beobachtet werden, wir haben ja schließlich genügend Risiken im roten Bereich und mit denen genug zu tun.

Brauchen wir dann überhaupt den gelben Bereich bei der Risikoanalyse? Meiner Meinung nach nicht dringend - wenn wir uns dafür entscheiden, eine gewisse Schwelle an Erwartungswert und Tragweite der Risikoauswirkungen zu definieren, welchen wir akzeptieren und nicht weiter verfolgen (der grüne Bereich), dann müssen wir folglich farbunabhängig für die restlichen Risiken Gegenmaßnahmen entwickeln (der gelbe und rote Bereich). Den Einsatz von Gegenmaßnahmen müssen wir sowieso im Einzelfall entscheiden, egal ob sie auf Risiken aus dem vormals roten Bereich wirken oder auf den vormals gelben Bereich oder im Optimalfall auf mehrere Risiken aus beiden Bereichen. Nichtsdestotrotz lässt sich eine Risikoanalyse mit 3 Farben natürlich schöner darstellen und besser gegenüber dem Lenkungskreis verkaufen als eine völlig farblose Risikoanalyse oder eine ausschließlich rot eingefärbte solche. 

Welche Erfahrung haben Sie mit der Managementampel? Welche Abgrenzungskriterien der Farben haben sich in Ihrer Praxis als sinnvoll erwiesen? Haben Sie in einem Statusbericht jemals die Farbe Gelb gesehen oder verwendet? Wie verhalten Sie sich, wenn eine Verkehrsampel die Farbe gelb zeigt? Lassen Sie es mich in Ihrem Kommentar wissen. 

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