24 April 2023

Digitalisierung, Digitalisierungsstrategie & Digitalisierungsprojekte



"Wir arbeiten mit Computern, also sind wir digital" wenn Sie diesen Satz unterschreiben würden oder ihn schon zu oft gehört haben, sollten Sie unbedingt weiterlesen.

Um zu klären, was Digitalisierung eigentlich ist und noch wichtiger: Worin der Nutzen der Digitalisierung für Ihr Unternehmen liegen kann, möchte ich zunächst 2 Beispiele anführen, was Digitalisierung nicht ist. Beide Beispiele habe ich selber erlebt.

1. Beispiel: Buchbestellung: Es war an einem Wochenende, ich beschloss, dass ich ein Buch benötige- Projektmanagement Fachliteratur, was sonst? Das Buch war nur bei einem einzigen speziellen  Händler erhältlich (nein, nicht der bekannte große Händler, auf den kommen wir aber später noch). Nun hatte ich 2 Möglichkeiten: Zum Einen eine Bestellung des physischen Buchs, das wäre dann irgendwann in der nächsten Woche gekommen, und ich wollte ja am Wochenende schon lesen - also wählte ich Option 2, die Bestellung der digitalen Variante. Ich klickte mich also durch den Shop, wählte die digitale Variante aus, Bezahlung via PayPal, damit das Geld direkt ankommt und beendete die Bestellung. Ich erhielt kurz danach die automatisch generierte Bestätigungsmail. So weit so digital. Es folgte die Enttäuschung: Der Text der Mail sagte sinngemäß: Vielen Dank für Ihre Bestellung. Ein Mitarbeiter prüft Ihren Zahlungseingang und wird Ihnen den Downloadlink zum Buch senden. Super. An diesem Wochenende konnte ich nicht mehr lesen. 

2. Beispiel: Rechnungseingang im Unternehmen. Vielleicht kennen Sie diesen Prozess? Eine Rechnung kommt im Unternehmen physisch an, wird eingescannt und per E-Mail an den Adressaten weitergeleitet (wir sind ja digital). Der druckt sie aus, um sie unterschreiben zu können, scannt sie wieder ein und leitet sie an die FiBu weiter. Die FiBu druckt die Rechnung aus, um sie gegenzeichnen zu können, scannt sie ein und legt das physische Exemplar in einem Ordner ab (Aufbewahrungspflicht muss man ja schließlich physisch wahren, so meinen viele).

Die Schwachstellen der beschriebenen Prozesse sind aus der Vogelperspektive offensichtlich. Und mit dieser Feststellung können wir schon mal schlussfolgern, dass sich erfolgreiche Digitalisierung auf Prozesse beziehen muss - damit meine ich End-to-End-Prozesse, also von der Entstehung eines Kundenwunsches bis zu seiner Erfüllung, vom Procure to Payment oder von der Personalbeschaffung bis zur Personalfreisetzung um nicht nur Markt- bzw. Bestellprozesse, sondern auch gleich Finanzprozesse oder Personalprozesse mit einzubeziehen. 

Mein Lieblingszitat dazu stammt von Thorsten Dirks, CEO der Telefónica Deutschland: "Wenn Sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben Sie einen scheiß digitalen Prozess“.

Wie würden die beschriebenen Prozesse besser ablaufen können? 

Im Falle des ersten Beispiels kennen wir alle einen tollen Bestellprozess von demjenigen Großhändler, der anfing Bücher zu verkaufen und mittlerweile jeden Scheiß vertickt (und leider schlecht mit seinen Mitarbeitern umgeht). Besagter Großhändler hat einen vollkommen digitalen und vor Allem schlanken Bestellprozess aufgesetzt, von der Bestellung bis zur sofortigen Lieferung eines digitalen Buchs. Auch für die Bestellung physischer Güter hat sich der Großhändler optimiert: Lieferung am nächsten Tag inkl. völliger Transparenz des Versandstatus. Aftersales- Support läuft hervorragend über gut konfigurierte Chatbots, unproblematische Rücksendung mit digitalen Versandetiketten. Da bin ich als Kunde zufrieden - und das ist auch einer der herausragenden Nutzen der Digitalisierung: Kundenzufriedenheit (beim Bestellprozess, die Digitalisierung anderer End-to-End-Prozesse verfolgt andere Nutzendimensionen). Auch nach der Bestellung werden mir in der App des Händlers weitere mögliche Güter vorgeschlagen, die ich aufgrund eines cleveren Algorithmus interessant finden könnte. Darin spiegelt sich eine weitere wichtige Dimension der Digitalisierung wider: Die massenhafte Erstellung & intelligente Nutzung von Daten. Ich komme gleich darauf zurück.

Im Falle des zweiten Beispiels würde eine Rechnung digital ankommen (oder zumindest einmalig gescannt werden, denn es ist leider immer noch schwer, jeden Lieferanten von den Vorzügen einer digitalen Rechnungsstellung zu überzeugen). Die digitale Rechnung würde automatisch digital an die entsprechende Stelle weitergeleitet werden, indem eine künstliche Intelligenz die Rechnung ausliest, der Empfänger unterschreibt digital (per revisionssicherem Mouseklick). Anschließend erkennt der hinterlegte Workflow (bzw. "Prozess" auf deutsch, um die Prozesssicht zu stärken), dass die Rechnung freigegeben ist und vergleicht den Rechnungsbetrag mit dem im System geplanten Rechnungsvolumen. Befindet sich der Ist- Rechnungsbetrag innerhalb der vordefinierten Toleranzgrenze, so wird die Rechnung ohne weiteres manuelles Eingreifen archiviert & bezahlt - also vollautomatisch. Sollte sich der Rechnungsbetrag außerhalb der Toleranzgrenze befinden, so muss eine manuelle Aussteuerung erfolgen. Der Nutzen dieses digitalen Procure-to-Pay- Prozesses  liegt in der Effizienz  - das Unternehmen spart Ressourcen, Zeit, Kosten. Und auch in diesem Prozess werden Daten erstellt und genutzt - systemübergreifend durch intelligente Vergleichsalgorithmen.

Zusammenfassend bedeutet Digitalisierung eine End-to-End Prozessoptimierung und - Automatisierung durch intelligente Erstellung & Nutzung von Daten und durch die Vernetzung von Systemen

Der Zusammenhang zwischen Prozessen und Daten besteht darin, dass Prozesse Daten erzeugen - das tut jeder Prozess zwangsläufig. Es ist nur ein Unterschied, ob sie Daten manuell in Excel- Tabellen tippen und auf Ihrem persönlichen Laufwerk C:\Datenfriedhof ablegen oder dieselben Daten strukturiert in standardisierten Systemen unternehmensweit nutzbar machen.

So weit zur Digitalisierung - was ist nun mit der Digitalisierungsstrategie? 

Die Digitalisierungsstrategie leitet sich wie die IT- Strategie von der Unternehmensstrategie ab. Jetzt wird es noch abstrakter als die ganze Digitalisierungsgeschichte es eh schon ist - ich bleibe daher bei meinen Beispielen: Die Unternehmensstrategie könnte unter Anderem vorsehen, die Kundenzufriedenheit in den nächsten 3 Jahren um 15 % zu steigern, sowie Kosteneinsparungen in der Rechnungsbearbeitung um 10% im selben Zeitraum zu realisieren. 

An dieser Stelle kommt nun der Digitalisierungsberater, der CIO oder der Projektportfoliomanager ins Spiel, fängt den Ball der Unternehmensstrategie auf und verwandelt sie zusammen mit anderen Entscheidungsträgern in eine Digitalisierungsstrategie . Die Digitalisierungsstrategie könnte sinnvollerweise auf der Optimierung der bereichsübergreifenden Prozesse aufbauen, die vorhandenen Daten bereinigen und die zukünftigen Datenströme vereinheitlichen und auswertbar machen. Zusätzlich wird mit ziemlicher Sicherheit dafür die bestehende IT- Systemlandschaft und deren Schnittstellen in Frage gestellt werden und die Einführung neuer IT- Systeme vorschlagen. Die Digitalisierungsstrategie ergibt somit ein Digitalisierungsportfolio.

Und damit kommen wir schon auf die Ebene der Projekte - denn das Digitalisierungsportfolio besteht aus einem bunten Strauß von Digitalisierungsprojekten. Es ist schwer, dafür Beispiele zu nennen, denn die konkreten Projekte richten sich danach, was bereits im Unternehmen vorhanden ist. Mögliche Projekte wären: Einführung einer Datagovernance, Einführung einer Prozessgovernance oder eines einheitlichen Prozessmanagements, Einführung eines (neuen) BI- Tools, Einführung eines Chatbots, Einführung eines (neuen) Endkundenshops,... 

Und damit wären wir am vorläufigen Ziel angelangt - die Digitalisierungsstrategie ist erstellt und in Projekte eingegossen, welche wir bequem anhand der üblichen Projektdimensionen  Kosten, Leistung und Zeit tracken können.

Was bedeutet Digitalisierung für Sie? Wie wird die Digitalisierungsstrategie in Ihrem Unternehmen gehandhabt? Wie oft haben Sie schon den Satz: "Wir arbeiten mit Computern, also sind wir digital" schon gehört? Lassen Sie es mich in Ihrem Kommentar wissen.

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