24 August 2023

Projektmanagement und Homeoffice


Corona ist offiziell beendet und in der als "Post-Corona-Zeit" bezeichneten Lebensphase können wir Projektleiter und Scrum- Master nun endlich wieder das tun, was wir am liebsten machen: Uns in unseren besten Anzügen vor möglichst vielen Leuten in Projektstartworkshops, Kickoffs und sonstigen Meetings präsentieren oder im Falle der Scrum- Master bunte Zettelchen mit großen Worten an echte Wände kleben, sie von links nach rechts schieben (lassen) oder die genannten Zettel von den entsprechenden Wänden entfernen.

Leider kommen wir aber nun doch noch nicht so recht dazu, denn irgendein Querulant hat immer ein Kind aus dem Kindergarten zu holen, ein Auto in der Werkstatt stehen oder einen anderen Grund, mindestens auf ein hybrides Meeting zu drängen. Somit müssen wir die in freudiger Erwartung ausgepackten Whiteboard- Marker wieder im eigens dafür angeschaffte Gürtelholster verschwinden lassen, uns von dem Lucky- Luke Gefühl beim schnellen Ziehen der Stifte verabschieden und die Post- Its und Stattys notgedrungen durch das digitale Trello- oder Jira- Board ersetzen. 

Aber mal im Ernst: Wie viel persönliche Präsenz muss in Projektmeetings heute noch sein? 

Projektbusiness ist Peoplebusiness. Wir arbeiten nie an einer Sache, um ein Ergebnis zu erzielen, wir arbeiten immer mit Menschen, um ein Ergebnis zu erzielen. 

Demzufolge ist es vordergründig ein verständlicher Wunsch, die Menschen, mit denen wir arbeiten wollen, persönlich kennen zu lernen und von Angesicht zu Angesicht mit ihnen Ideen zu entwickeln und zu realisieren. Wir wollen letztendlich in bereichsübergreifenden Projekten und teilweise zwischen Fremden ein Wir- Gefühl erreichen, ohne das das Projektergebnis nur schwer zu realisieren ist. 

So weit, so gut- aber da haben wir die Rechnung oftmals ohne den Wirt gemacht. Die Projektmitarbeiter wurden für das Projekt abgestellt, oftmals ohne ihren eigenen expliziten Wunsch, am Projekt mitzuarbeiten, freuen sich über jede kleine Freiheit und Zeitersparnis dadurch, dass sie nicht mehr jeden Tag in die Firma fahren müssen, und sollen jetzt auch noch wieder regelmäßig nur für das doofe Projekt  im Stau stehen? Da ist Widerstand vorprogrammiert und niemand mag Projekte! 

Wie schaffen wir also den Spagat zwischen dem aus unserer Sicht Notwendigen und dem aus Sicht unseres Teams Vertretbaren?

Ich glaube, dass jede Führungskraft, insbesondere aber der Projektleiter immer mehr als Motivator auftreten muss. Insbesondere in der am häufigsten vorherrschenden Matrixorganisation von Projekten, in welcher der Projektleiter keine direkte und alleinige Weisungsbefugnis hat und nicht als disziplinarischer Vorgesetzter agiert, sind Soft Skills, Einfühlungsvermögen und nachvollziehbare Begründungen gefragt.

Damit meine ich: Der Projektleiter muss einen Ausgleich schaffen, jedem Teammeeting einen nachvollziehbaren Sinn für persönliche Anwesenheit geben und dessen Notwendigkeit selbst am kritischsten hinterfragen. 

Ein paar Beispiele:

Ein Projektstartworkshop ist das erste Event noch vor Projektbeginn. Das mutmaßliche Team kommt zu ersten Mal zusammen, wird mit der Problemstellung des Projekts zum ersten Mal konfrontiert und kann (hoffentlich) eigene Ideen und Wünsche dazu äußern. Das ist ein Event, welches ich sehr gerne in persönlicher Anwesenheit abhalten möchte, einfach um ein Gefühl der möglichen Zusammenarbeit unter den potenziellen Teammitgliedern zu bekommen und für maximale Produktivität. Ich möchte aber auch, dass dass die Teammitglieder bei diesem Event ein Gefühl füreinander bekommen und exklusiv und ausschließlich für das Projektthema da sind und nicht nebenbei durch eventuelle Kurzmitteilungen über andere Kanäle gestört werden. 

Der Startworkshop erfüllt schonmal die Voraussetzungen, dass es sich für ihn lohnen würde, einen Tag ins Büro zu kommen, da er den Tag ausfüllen kann - die Gefahr "unnützer" Fahrzeit für ein kurzes Meeting ist somit minimiert. Zusätzlich zu meinem Unterziel des Meetings "Socializing" können wir noch ein gemeinsames Mittagessen oder sogar Bierchen- Trinken mit Abendessen anbieten -wenn das Projektteam letzteres wünscht. Eine entsprechende Workshopatmosphäre mit Freizeitaktivitäten  sollte das Projektteam ausreichend motivieren (Sie haben es erraten: Der Hauptmotivator in der ganzen Geschichte ist natürlich "Bier").

Analoges gilt für Sprintwechsel- Meetings, PI-Plannings etc. - alles, was mindestens einen Tag dauert rechtfertigt Fahrzeiten und kann mit Feierabendaktivitäten als Motivator ergänzt werden.

Einstündige Regelmeetings, Statusmeetings etc. haben hingegen meiner Meinung nach keine Rechtfertigung, um Präsenz zu fordern - kurze Meetings wiegen nicht die eventuelle Fahrtzeit auf und ich habe dafür keine Möglichkeit, mein Team entsprechend zu motivieren. Derartige Meetings führe ich weitestgehend digital oder freiwillig- hybrid durch, auch wenn es natürlich schöner ist, die Menschen real zu sehen statt nur über die Cam. 

Sollten wir die digitalen Tools als eine Übergangslösung betrachten oder stellen sie die nächste Evolutionsstufe dar, die die vorherige völlig abschaffen sollte?

Schlechte Zeiten für die bunten Kärtchen an der Wand - wenn ich mein Team nicht generell vor- Ort sehen kann, dann kann ich das Scrum-Board oder das Kanban-Board am besten digital aufbauen - also alle Artefakte, welchen einen dauerhaften Einsatz haben sollen, würde ich digital anlegen, auch wenn ich das reale Kärtchen- schubsen immer sehr genossen habe. 


Wie sind Ihre Meinungen und Erfahrungen zur Veranstaltung von digitalen- oder Präsenzmeetings? Wann würden Sie auf in-Person- Anwesenheit drängen und unter welchen Bedingungen nicht? Womit motivieren Sie ihr Team zur persönlichen Anwesenheit? Wünschen Sie sich mehr persönliche Interaktionen in Ihren Projekten? Lassen Sie es mich in Ihren Kommentaren wissen.

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Corona ist offiziell beendet und in der als "Post-Corona-Zeit" bezeichneten Lebensphase können wir Projektleiter und Scrum- Master...